Etikettenschwindel neuer Psychotherapeut
Nein.
Um zu einer Approbation nach dem Psychologiestudium zu gelangen, muss erst der allgemeine Bachelor-Studiengang Psychologie absolviert werden, der mit 3 Jahren (6 Semestern) den Hauptteil der Studienzeit ausmacht. Danach können vielfältige weitere, auch psychologische Masterstudiengänge angeschlossen werden, etwa Wirtschaftspsychologie oder viele andere.
Eine Option ist ein Masterstudiengang, der überall anders heißt, häufig jedoch „Klinische Psychologie und Psychotherapie“. Dieser dauert 2 Jahre, wobei im letzten Semester die Masterarbeit verfasst wird, letztlich also 3 Studiensemester. Dieser Studiengang schließt mit einem Master in Psychologie ab.
Erst durch eine mündlich Parcours-Prüfung erfolgt die überraschende Umetikettierung als Approbation zum „Psychotherapeuten“.
Von einem „Direktstudium Psychotherapie“ kann also keine Rede sein. Es wird lediglich politisch behauptet. Die Politik wurde mit diesem Terminus in die Irre geleitet. Werder die Kammern noch die Universitäten nutzen diesen Terminus, sondern sprechen immer nur von einem „speziellen Studium“.
Der sog. Bologna-Prozess ersetzt ehemalige Diplom- und Magisterstudiengänge durch Bachelor und ggfs. sich daran anschließende Masterstudiengänge.
Der ehemalige Psychologie-Diplomstudiengang war bundeseinheitlich geregelt und qualifizierte so sehr gut auch für eine anschließende postgraduale Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten.
Der Bologna-Prozess führte hingegen zu einer bedenklichen Dequalifizierung und Deregulation. Die Ausbildungsinstitute nutzten die fehlende Ordnung, um Wettbewerbsvorteile am Markt zu erzielen, etwa durch Zulassung zur postgradualen Ausbildung bereits nach dem Psychologie-Bachelor, was bei Weitem nicht der Qualifikation des ehemaligen Diplom-Studiengangs entsprach.
Daher war die bundeseinheitliche Verständigung auf Mindeststandards notwendig.
Die jetzige Systematik aus Bachelor- und Masterstudium stellt einheitliche Qualitätsstandards wieder her und bewegt sich nahe am ehemaligen Diplomstudiengang Psychologie. Durch festgeschriebene Praktika wird es dem Schwerpunkt der klinischen Psychologie sogar deutlich gerechter.
Eine Analogie zum Medizinstudium besteht nicht.
Strukturell:
Das Medizinstudium ist ein Direktstudium. Erst mit dem Ablegen des Dritten Staatsexamens erfolgt die Approbation zum Arzt. Wird zuvor abgebrochen, besteht keinerlei Abschluss, da auch nichts anderes studiert wurde.
Im Gegensatz dazu wird zum Erreichen der Approbation als „Psychotherapeut“ zunächst ein Psychologie-Bachelor-Studium mit Psychologie-Abschluss und dann ein Psychologie Master-Studium mit einem weiteren Psychologie-Abschluss absolviert. Erst dann erfolgt eine Approbationsprüfung mit Umetikettierung zum „Psychotherapeuten“.
Inhaltlich:
Das Medizinstudium ist sehr praxisorientiert, voller Pflichtpraktika zumeist als Bedside-Teaching und jahrelanger klinischer Ausbildung am Patienten. Jeder approbierte Arzt hat in seiner Ausbildung hunderte Patienten untersucht und behandelt.
Die neuen Studiengänge der Psychologie sehen auch Praktika vor, allerdings nur einen Bruchteil im Kontakt mit Patienten. Seminare und Rollenspiele dominieren die Pflichtinhalte.
Nicht wirklich.
Das Gesetzt trat im am 01. September 2020 als Ausbildungsreform (§12 Abs. 2 des Gesetzes) in Kraft. Schon im Frühjahr 2023 werden die ersten Absolventen approbiert.
Hier wird für jeden augenfällig, dass es sich nicht grundständig um ein neues Studium handeln kann.
Großflächig werden die allgemeinen Psychologie-Bachelor-Studienabschlüsse, die bereits vor dem Gesetz erworben wurden, anerkannt, manchmal mit marginaler Nachqualifikation, manchmal ganz ohne.
Beim Großteil des Studiums handelt es sich also um das konventionelle Bachelor Psychologie-Studium.
Es handelt sich um 2 Studiengänge Psychologie. Zunächst ist ein 6-semestriger Studiengang in allgemeiner Psychologie gefordert, der zu allen weiteren Aufbaustudiengängen in der Psychologie qualifiziert. Er schließt mit einem Bachelor in Psychologie ab.
Daran schließet sich die Möglichkeit eines Masterstudiengangs an, der unterschiedliche Namen trägt, häufig „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ heißt. Die Studiendauer beträgt 4. Semester, wobei im 4. Semester die Masterarbeit verfasst wird. Dieser Studiengang schließt mit einem Master in Psychologie ab.
Es sind also 2 Abschlüsse in Psychologie.
Lediglich eine mündliche Parcours-Prüfung, in der heilkundliche Aspekte abgefragt werden, sorgt dafür, dass eine Approbation als „Psychotherapeut“ erfolgt und die Psychologie in der Berufsbezeichnung verloren geht.
Das ist überraschend, zutreffend wäre etwa die Bezeichnung „(Approbierter) Heilkundlicher Psychologe“.
Die Bezeichnung Psychotherapeut ist seit 23 Jahren fest etabliert und gesetzlich festgeschrieben für Leistungsträger, die Psychotherapie durchführen können. Hier soll sie aber erst noch erlernt werden.
Die Folge ist möglicherweise eine geplante groß angelegte Umetikettierungsaktion von zehntausenden jetzigen Psychologischen sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten, die dann in Fachpsychotherapeuten umbenannt werden müssen, da der Begriff Psychotherapeut nun Absolventen zweier Psychologie-Studiengänge bezeichnen soll.
Ursprüngliches wollten die Lobbyisten, die dieses Gesetz vorangetrieben haben, die Psychotherapie ganz für sich haben. Im ersten Gesetzentwurf hieß es dann folgerichtig: Psychotherapie ist das, was der Psychotherapeut macht. Das wäre eine vollkommen neue Legaldefinition der Psychotherapie gewesen. Ärzte wären hier dann außen vor gewesen.
Das war nicht durchsetzbar. Nun soll diese Weiche über die Bezeichnung gestellt werden.
Zudem können über die Bezeichnung Psychotherapie nun weite Teile der Psychologie in die Leistung der gesetzlichen Krankenkassen einfließen, ohne dass es kleinteiliger Diskussionen bedarf.
Es wird der Strukturreformcharakter des Gesetzes verschleiert: Die Integration der Psychologie in die Heilkunde und gesetzliche Leistungspflicht.
Das belastet die Gemeinschaft der Krankenversicherten.
Die Politik kann nun bislang steuerfinanzierte Aufgaben in die Krankenversicherung verschieben, ohne dafür Mittel bereitstellen zu müssen.
Die Psychotherapie ist ursprünglich eine ärztliche Heilkunst, später konnten sich auch Psychologen und Sozialpädagogen (für Kinder und Jugendliche) qualifizierten. Sie ist eine Behandlungsweise und seit über hundert Jahren den Fachkundigen vorbehalten. Fachkundig sind diejenigen, die die Behandlungsweise erlernt und anwenden können. Seit dem Psychotherapeutengesetz von 1988 ist dies auch gesetzlich verankert.
Mit dem neuen Gesetz, das das alte ablöst, soll die Bezeichnung nun von Psychologie-Absolventen mit Umettikettierungsprüfung geführt werden. Diese sollen die Behandlungsweise Psychotherapie in einer Weiterbildung erst erlernen. Angeblich sollen sie dann Fachpsychotherapeuten heißen.
Stellt sich ein umetikettierter Approbierter dem Patienten als „Ihr Psychotherapeut“ vor, kann der Patient nicht davon ausgehen, dass er einen Psychologen vor sich hat, der Psychotherapie erst erlernen wird. Der Patient unterliegt dem Etikettenschwindel.
Gleichzeitig führen die bisherigen Psychologischen und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten weiterhin ihre Berufsbezeichnung (§26).
Hier besteht bereits die Verwendung des gleichen Begriffes, nämlich Psychotherapeut, für höchst unterschiedliche Qualifikationsniveaus.
Möglicherweise ist ein Umetikettierungsprozess von zehntausenden bisherigen Psychologischen Psychotherapeuten in Fachpsychotherapeuten geplant. Allerdings führen sie dennoch gesetzlich weiter die Bezeichnung Psychotherapeut.
Das alles heilt nicht die Widersprüchlichkeiten zur Ärztlichen Psychotherapie. Qualifizierte Ärzte führen nach dem Gesetz die Bezeichnung Psychotherapeut.
Es ist somit ein ordnungspolitisches Durcheinander in einem so sensiblen Bereich wie der Heilkunde entstanden. Fachleute sehen hier nicht mehr durch. Patienten sind aber völlig verloren und verunsichert. Das kann aber nicht sein. Es gefährdet die Patientensicherheit erheblich.
Aus der Berufsbezeichnung muss für jeden klar ersichtlich sein, wie die Herkunft ist. In diesem Fall sind es zwei Psychologieabschlüsse. Wenn eine Approbation, also eine heilkundliche Erlaubnis durch eine entsprechende Prüfung nach diesen Studiengängen erfolgt, ist etwa die Bezeichnung „Heilkundlicher Psychologe“ zielführend.
Auf jeden Fall ist die Irreführung der Patienten und der Akteure im Gesundheitswesen zu korrigieren.
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